The Chemist | Journal of the American Institute of Chemists

The Chemist Band 91 | Nummer 1
ISSN 1945-0702
Falsch-positiver Drogentest für Methamphetamin
Dr. David M. Manuta & Deborah F. Cate
Manuta Chemical Consulting, Inc. (MC2), 431 Gordon Avenue, Waverly, OH 45690-1208
(E-mail: )

Öffentliches Verständnis von Chemie: Die Chemie und ihr sozio-politischer und wirtschaftlicher Kontext verändern sich weiter. Chemie und chemiebasierte Technologien, die unser Leben beeinflussen, machen die Komplexität und Kontroverse des Lebens aus und bilden die Grundlage für Überlegungen zum öffentlichen Verständnis der Chemie. Die Sektion „Öffentliches Verständnis der Chemie“ wird versuchen, mit Originalbeiträgen (Artikel/Positionspapiere/Politische Kurzdarstellungen) und/oder veröffentlichten Artikeln und Kolumnen in seriösen Quellen (mit Genehmigung) die Chemie im realen Kontext zu behandeln.
Gründungsredakteur der Sektion: David Devraj Kumar, Co-Editor der Sektion: David M. Manuta

Abstract: Bei der Laboruntersuchung des Urins eines auf Bewährung Entlassenen wurde möglicherweise ein falsch-positives Testergebnis für Methamphetamin festgestellt. Ein Vergleich der chemischen Strukturen von Methamphetamin und Pseudoephedrin, einem Inhaltsstoff des rezeptfreien Medikaments Sudafed®, sowie die Fehlbarkeit des Tests selbst machen diese Schlussfolgerung mit einem angemessenen Maß an wissenschaftlicher Sicherheit nicht unwahrscheinlich.
Schlüsselwörter: Immunoassay (IA), Methamphetamin, Dextroamphetamin, Pseudoephedrin, Sudafed®

Einführung

Am 22. Dezember 2015 wurde einem ehemaligen Sträfling, der des Methamphetaminkonsums verdächtigt wurde, eine Urinprobe (UA) entnommen. Als der Test positiv ausfiel, wurde er anschließend angeklagt. Da ihm ein Verstoß gegen seine bestehende Haftentlassung drohte, wandte er sich an einen beratenden Chemiker, Dr. David Manuta von Manuta Chemical Consulting, Inc. um seinen Fall zu überprüfen. Er behauptete, seit seiner Entlassung auf Bewährung nicht mehr positiv auf Drogen getestet worden zu sein. Am 12. Januar 2016 fand eine Anhörung durch das Colorado Department of Corrections (CDOC) statt.

Hintergrundinformationen

In dem Dokument, das der Angeklagte an Dr. Manuta gefaxt hatte, beschrieb er die Medikamente, die er zu diesem Zeitpunkt einnahm, einschließlich der verschriebenen. Der Angeklagte gab auch an, dass der Testwert für Methamphetamin 377 ng/ml (Nanogramm pro Milliliter) betrug. Ein Testwert für Amphetamin wurde ebenfalls mit 275 ng/ml angegeben. Das Nanogramm ist eine metrische Masseneinheit, die einem Milliardstel eines Gramms (10-9 g) entspricht, der Masse einer typischen menschlichen Zelle.

Der Beklagte bezeichnete das Testlabor als Redwood Toxicology Laboratory (RTL). RTL befindet sich in Santa Rosa, Kalifornien. Da die Tests in Kalifornien durchgeführt werden, müssen die Urinproben vor dem Versand an die Einrichtung nach anerkannten Protokollen und Standards gesammelt und konserviert werden. Das CDOC-Personal muss diese Urinproben entsprechend den anerkannten Methoden ordnungsgemäß verpacken, damit die erzielten Testergebnisse als aussagekräftig angesehen werden können.

In einem medizinischen Bericht vom 14. Dezember 2015 ist vermerkt, dass der Arzt des Beklagten FLONASE Nasenspray, Neo-Synephrin Nasenspray und Adderall XR verschrieben hat. Zu den weiteren vom Arzt des Beklagten genannten Medikamenten gehören Albuterol, Advair und Lisinopril.

Der Beklagte gab außerdem an, dass er und einige seiner Familienmitglieder in letzter Zeit Sudafed® gegen Nasen- und Nebenhöhlenerkrankungen eingenommen hätten. Der Wirkstoff in Sudafed® ist das chemische Pseudoephedrin.


Abbildung 1. Struktur von Dextroamphetamin (C9H13N)


Abb. 2. Struktur von Methamphetamin (C10H15N)


Abb. 3. Struktur von Pseudoephedrin (C10H15NO)

Diskussion

CDOC-Vorschriften genehmigen die Verwendung von Immunoassay (IA)-Methoden und Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS) für die Identifizierung von Missbrauchsdrogen im Urin. Nach Angaben von ImmunoChemistry Technologies, LLC , bieten die Immunoassay-Methoden eine schnelle Identifizierung spezifischer Moleküle. Ein Vorteil der ImmunoChemistry Technologies ist, dass mit diesen Techniken viele Proben an einem Tag analysiert werden können. Falsch-positive Testergebnisse können mit den schnellen Identifizierungstechniken wie IA erzielt werden. Eine Überprüfung einer positiven Probe mit GC-MS ermöglicht ein größeres Vertrauen in das Testergebnis.

Redwood Toxicology Laboratory (RTL), das Labor für die Urinuntersuchung, gibt an, dass jede Woche etwa 85.000 Urinuntersuchungen auf Drogenmissbrauch durchgeführt werden. Dieser Durchsatz lässt darauf schließen, dass bei RTL Immunoassay-Methoden verwendet werden. Dieser enorme Durchsatz entspricht 12.000 Proben pro Tag, 500 Proben pro Stunde und mehr als 8 Proben pro Minute. Weniger als 10 Sekunden pro Probe scheinen die übliche Analysezeit zu sein. Eine Überprüfung der Analyseergebnisse vor der Übermittlung an CDOC ist nicht möglich.

RTL verfügt über zwei Methoden zur Bestimmung von Methamphetamin im Urin. Die erste Methode hat eine Nachweisgrenze von 500 ng/ml und die zweite Methode eine Nachweisgrenze von 1000 ng/ml. Die Nachweisgrenze für Methamphetamin wurde mit 250 ng/ml angegeben.

Ein wichtiger Punkt ist, dass der offensichtliche Methamphetaminwert des Beklagten in seinem Urin 377 ng/ml betrug. Dieser Wert liegt unter dem Grenzwert, der mit den im vorigen Absatz genannten RTL-Methoden ermittelt werden kann. Es besteht Ungewissheit darüber, was bei dem positiven Test, der dem Beklagten vom CDOC-Personal mitgeteilt wurde, tatsächlich gemessen wurde.

Zusätzlich zu Sudafed® nahm der Beklagte bekanntermaßen auch Adderall XR ein. Adderall XR wird unter anderem verschrieben, um die Symptome der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) zu bekämpfen. Bei dem Beklagten war zuvor ADHS diagnostiziert worden. Auf Anweisung seines Arztes nahm der Beklagte einmal täglich eine 20-mg-Kapsel ein.

Einer der Inhaltsstoffe von Adderall XR ist Dextroamphetamin (C9H13N) . Methamphetamin (C10H15N) weist in seiner chemischen Struktur Ähnlichkeiten mit Dextroamphetamin auf, ebenso wie Pseudoephedrin (C10H15NO).


Abbildung 4. Massenspektrum von Methamphetamin


Abb. 5. Massenspektrum von Pseudoephedrin

Die Ähnlichkeiten zwischen diesen drei chemischen Strukturen sind auffällig. Infolgedessen bestehen mit hinreichender wissenschaftlicher Sicherheit gewisse Zweifel daran, ob die von RTL-Mitarbeitern verwendeten Immunoassay-Methoden empfindlich genug sind, um konsequent und zuverlässig zwischen diesen sehr ähnlichen Molekülen zu unterscheiden.

Die National Institutes of Health stellen Daten zur biologischen Halbwertszeit von Pseudoephedrin, einem Wirkstoff in Sudafed®, zur Verfügung. Die Halbwertszeit von Pseudoephedrin beträgt etwa sechs (6) Stunden. Je nach pH-Wert des Urins kann es bei Erwachsenen bis zu 16 Stunden dauern, bis Pseudoephedrin ausgeschieden wird. Dies bedeutet, dass mit hinreichender wissenschaftlicher Sicherheit Pseudoephedrinreste im Urin des Beklagten innerhalb des 6-Stunden-Fensters der biologischen Halbwertszeit vorhanden wären.

Angesichts dieser Informationen ist es durchaus möglich, dass, wenn der Beklagte aufgefordert worden wäre, eine Urinprobe zu einem Zeitpunkt abzugeben, der in der Nähe des Zeitpunkts der letzten Einnahme von Sudafed® liegt, Pseudoephedrinreste nachgewiesen werden könnten. Es ist also durchaus denkbar, dass in der jüngsten positiven Probe nicht Methamphetamin, sondern Pseudoephedrinreste von Sudafed® nachgewiesen wurden. Der umfassende Urintest von RTL auf 22 Drogen umfasst nicht den Nachweis von Pseudoephedrin.

Aufgrund der Ähnlichkeit der chemischen Struktur von Methamphetamin und Pseudoephedrin würde man erwarten, dass ihre jeweiligen Massenspektren ähnlich aussehen. Die Referenzmassenspektren des National Institute of Standards and Technology (NIST) bestätigen dies, wie in den Abbildungen 4 und 5 zu sehen ist. Es würde einen erfahrenen Chemiker erfordern, diese Moleküle auf der Grundlage einer gründlichen Überprüfung von Immunoassay-Testdaten zu unterscheiden. Aufgrund des hohen Durchsatzes im Vertragslabor des CDOC wurden die subtilen massenspektralen Unterschiede zwischen Methamphetamin und Pseudoephedrin offenbar nicht weiter untersucht.

Abschließende Überlegungen

Das CDOC arbeitet mit RTL an der schnellen Identifizierung der möglicherweise illegalen Substanzen, die im Urin gefunden werden. Der Angeklagte gab auf Aufforderung Urinproben ab. Dies war offenbar das erste Mal, dass in einer der Urinproben des Angeklagten eine möglicherweise illegale Substanz nachgewiesen wurde.

Aufgrund der 6-stündigen biologischen Halbwertszeit von Pseudoephedrin ist es möglich, dass der Angeklagte gleichzeitig mit der Abgabe dieser Probe Pseudoephedrinreste in seinem Urin hatte. In diesem Fall führt der Nachweis von Methamphetamin bei Vorhandensein von Pseudoephedrinresten zu einem falsch-positiven Ergebnis.

Auch das verschreibungspflichtige Medikament Adderall XR enthält Amphetamin. Das Massenspektrum von Amphetamin sollte bei der Analyse dieser Urinprobe ermittelt werden. In diesem Fall ist das Vorhandensein von Amphetamin kein echter falsch-positiver Befund, sondern das, was man von einem Medikament erwartet, in dem Amphetamin einer der Inhaltsstoffe ist.

Aufgrund der ähnlichen chemischen Strukturen von Dextroamphetamin (in Adderall XR), Methamphetamin und Pseudoephedrin ist die derzeit verwendete Immunoassay-Technik möglicherweise nicht durchgängig und zuverlässig genug, um zwischen den feinen Unterschieden dieser Moleküle zu unterscheiden. Daher ist ein falsch-positives Ergebnis für Methamphetamin nicht unwahrscheinlich.

Mit dem Aufkommen automatisierter Systeme, die eine „Bibliothek“ von Massenspektren enthalten, führen moderne Geräte einen Abgleich des unbekannten Massenspektrums oder des Probenspektrums mit einem bekannten Massenspektrum oder einem Referenzspektrum in der „Bibliothek“ durch. Der Abgleich des unbekannten Massenspektrums oder des Probenspektrums mit einem bekannten Massenspektrum oder einem Referenzmassenspektrum in der „Bibliothek“ funktioniert oft, aber nicht immer, gut. Da die Massenspektren von Methamphetamin und Pseudoephedrin nahezu ununterscheidbar sind, wäre dies ein Beispiel, bei dem ein falsch-positiver Befund auftreten könnte.
Sollte das Massenspektrum von Pseudoephedrin nicht in der „Bibliothek“ enthalten sein, versucht das automatische System dennoch, eine Übereinstimmung zu finden. Das Massenspektrum von Methamphetamin ist das, was mit hinreichender wissenschaftlicher Sicherheit aus diesem Abgleichsprozess hervorgehen kann. Wenn man sich allein auf die „Bibliothek“ verlässt, ohne dass ein erfahrener Chemiker eine positive Identifizierung vornimmt, hat dies wahrscheinlich zu einem falsch-positiven Ergebnis geführt.

Der enorme Durchsatz von RTL hat voraussichtliche Folgen, die mit einer unvollständigen Reinigung des Systems zwischen den Läufen/Versuchen verbunden sind. Dies kann zu einer Kreuzkontamination führen, die auf einer Restmenge Methamphetamin beruht, die sich noch von einem früheren Lauf/Versuch im System befindet.

Außerdem beträgt die Standarddosis für Erwachsene 60 mg Pseudoephedrin. Zwischen mg und ng gibt es sechs Größenordnungen. Folglich läge die Konzentration von Pseudoephedrin, das als Methamphetamin im Urin des Bewährungshelfers nachgewiesen wird, selbst nach mehreren biologischen Halbwertszeiten im Bereich von Mikrogramm pro Milliliter (μg/mL). Bei solchen Konzentrationen wäre der empfindliche Detektor mit hinreichender wissenschaftlicher Sicherheit gesättigt gewesen. Wäre der auf Bewährung Entlassene ein gewohnheitsmäßiger Methamphetaminkonsument gewesen, hätte er außerdem mit einem angemessenen Maß an wissenschaftlicher Gewissheit häufiger als dieses eine Mal positiv auf Methamphetamin getestet.

Wenn alle hier dargelegten Informationen mit Verständnis gelesen werden, ist es klar, dass falsch-positive Ergebnisse für Methamphetamin und Amphetamin in der gesammelten Urinprobe erzielt wurden.

Der Angeklagte wurde bei seiner Anhörung am 12. Januar 2016 für nicht schuldig befunden. Seine Ausgangssperre endete und seine Fußfessel wurde zu diesem Zeitpunkt entfernt. Das CDOC legte gegen den ursprünglichen Freispruch Berufung ein. Der auf Bewährung Entlassene wurde aus der Haft entlassen, als die Berufung erfolglos blieb.
Er ist jetzt ein freier Mann.

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  2. Verwaltungsvorschrift (Verordnung Nr. 300-20, in Kraft getreten am 15. Oktober 2014) für das Drogenscreening von Straftätern. Abgerufen am 1/11/2016 von http://www.doc.state.co.us/sites/default/files/ar/0300_20_101514.pdf
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  7. Adderall XR – Erweiterte Patienteninformationen. Drugs.com. Abgerufen am 1.11.2016 von http://www.drugs.com/cons/adderall-xr.html
  8. Dextroamphetamin Struktur – Strukturelle Biochemie/Adderall. Wikibooks. Abgerufen am 1.11.2016 von de.wikibooks.org/wiki/Strukturelle_Biochemie/Adderall#/media/File:Dextroamphetamine_structure.png
  9. Methamphetamine Chemical Structure. ChemSpider – Royal Society of Chemistry. Abgerufen am 3.10.2017 von http://www.chemspider.com/Chemical-Structure.10379.html
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  12. Comprehensive Drug Testing. Redwood Toxicology Laboratory. Abgerufen am 1.11.2016 von https://www.redwoodtoxicology.com/docs/services/comprehensive_drug_testing.pdf
  13. NIST Chemistry WebBook. National Institutes of Standards and Technology. Abgerufen am 1.11.2016 von http://webbook.nist.gov/chemistry

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