02.12.2016
Das Musikgenie wurde an einem trüben Wintertag in einem anonymen Armengrab beigesetzt. Anlässlich des 225. Todestages Mozarts strömen Fans aus aller Welt an den Ort, an dem sein Grab vermutet wird.
Wiens prominentester Friedhof ist der Zentralfriedhof. Hier sind alle Berühmtheiten Österreichs versammelt, darunter die Crème de la Crème der Musiker und Komponisten – abgesehen von Mozart. Beethoven, Brahms, Strauss, Schubert, Arnold Schönberg und in jüngerer Zeit auch Falco und Udo Jürgens sind hier begraben. Der 1874 eröffnete Friedhof verfügt über ein Wegenetz zwischen den 330.000 Gräbern, das sich über insgesamt 450 Kilometer erstreckt. Europas größter Friedhof verfügt sogar über eine eigene Buslinie.
Ein Kleinod unter Wiens Friedhöfen
Der St. Marxer Friedhof hingegen gilt als Geheimtipp und als Kleinod unter Wiens Friedhöfen. Er ist der einzige Überlebende von fünf Wiener Gemeindefriedhöfen im Biedermeier-Stil. Botaniker empfehlen einen Besuch im April und Mai, denn dann blüht Wiens größter Fliederstrauchbestand. Für Romantiker ist jede Jahreszeit ein Erlebnis – vom Frühling, wenn der weiße Flieder blüht, über die Suche nach einem kühlen, schattigen Plätzchen in der brütenden Hitze des Sommers bis hin zu den goldenen Herbstmonaten und dem nebligen, gespenstischen November.
Dem Charme dieses „Biedermeier-Friedhofs“ tut der ständige Lärm von Österreichs meistbefahrener Straße, der Autobahn A23, die leider an ihm vorbeiführt, keinen Abbruch. Das liegt an den historischen Gräbern. 5.600 der ursprünglich 8.000 sind noch erhalten. Auf charmante und rührende Weise sorgen sie dafür, dass jeder weiß, welch gehobene gesellschaftliche Stellung die Verstorbenen einst im Leben hatten.
Die Gepflogenheiten der Wiener Gesellschaft
Hier findet man „die Gattin eines Wirtes in der Leopoldstadt“ oder einen „bürgerlichen Kanalarbeiter“, einen „kaiserlichen Hofmaulwäscher“ oder „einen Lust- und Ziergärtnersohn“ sowie „einen wirklichen Geheimrat“ – der so viele Titel zu seinem Namen hatte, dass sich der Steinmetz am Ende nur für ein lakonisches „etc.etc.etc.“ entschied. Je baufälliger der Grabstein und die Inschrift sind, desto eindringlicher ist das Memento mori, der stolze Verweis auf den früheren Status und Reichtum des Verstorbenen. Schließlich kann man es nicht mitnehmen, wenn man stirbt.
Der Friedhof verdankt seine Existenz einem aufgeklärten Kaiser, Joseph II.(1765-1790). Er verbot aus hygienischen Gründen Bestattungen auf Friedhöfen innerhalb der Wiener Stadtmauern und ordnete die Anlage von fünf kommunalen Friedhöfen an, die weit außerhalb der Stadtmauern liegen sollten. Der Friedhof wurde nach einem nahegelegenen Armenhaus und einem ehemaligen mittelalterlichen Spital benannt, dessen Kapelle dem heiligen Markus geweiht worden war. In den 90 Jahren nach 1784 wurden hier rund 15.000 Menschen bestattet – bis der Zentralfriedhof 1874 den Toten der Millionenstadt erlaubte, innerhalb der Stadtmauern zu verbleiben.
Mozarts trauriges Ableben
Eine Bestattung in St. Marx ist für Wissenschaftler und Fans bis heute besonders interessant. Es war eine schlichte und karge Angelegenheit ohne jeglichen Pomp – ein kläglicher Trauerzug am 6. Dezember 1791 – dem Tag nach dem Tod von Wolfgang Amadeus Mozart, dem Genie, das über seine Verhältnisse lebte und mit nur 35 Jahren sein Ende fand. Er starb jedoch nicht verarmt, wie oft behauptet wird. Vielmehr reichte sein Geld nicht aus, um seinen verschwenderischen Lebensstil zu finanzieren. Nur wenige Menschen nahmen bei Regen und Schnee an der Prozession vor die Stadttore teil – unter ihnen sollen sein letzter Schüler Franz Xaver Süssmayr und sein ewiger Rivale Antonio Salieri gewesen sein. Danach wusste nur noch der Totengräber, was geschehen war.
Mozart landete in einem der üblichen, nicht gekennzeichneten Gräber, in denen aus Platzgründen vier Leichen in einen engen Schacht gelegt wurden. Der klappbare Sarg wurde dort geleert, damit er wieder verwendet werden konnte. Zehn Jahre später wurde die gleiche Stelle für weitere Bestattungen genutzt. Die erste Gelegenheit, die sterblichen Überreste des berühmten Komponisten aus den angesammelten Gebeinen zu bergen, ergab sich 1801. Dies erklärt, wie ein vermeintlicher Mozart-Schädel schließlich seinen Weg nach Salzburg fand. Seine Echtheit konnte bis heute nicht bestätigt werden.
Das Rätsel bleibt
Erst 17 Jahre nach Mozarts Tod unternahm seine Frau Constanze einen ersten Versuch, sein Grab zu finden. Da es weder Grabkreuze noch andere Markierungen auf den Gräbern gab, war sie auf die sehr unsicheren Erinnerungen des Friedhofspersonals angewiesen. Daher bleibt die genaue Lage von Mozarts letzter Ruhestätte ein Rätsel.
An der umstrittenen Stelle, an der man Mozarts Grab vermutete, wurde ein Denkmal aufgestellt – das dann zum 100. Todestag 1891 auf den Zentralfriedhof versetzt wurde. Schließlich schmückte ein findiger Friedhofswärter den verbliebenen leeren Platz mit Ornamenten von anderen Gräbern und setzte eine Steinplatte mit Mozarts Namen darauf. Noch heute legen Besucher Blumen und Fächerbriefe nieder und zünden Kerzen am Fuß der gestutzten Säule an. Zu Mozarts Geburts- und Todestag reisen sogar offizielle Delegationen an, um Kränze niederzulegen.
Der St. Marx-Friedhof wird heute nicht mehr genutzt. Er wird von der Stadt Wien als Park gepflegt und steht unter Denkmalschutz.
is/at/sc (kna)