Getränke mit Ei sind nicht nur etwas für die Oma! Aber viele Leute scheinen das zu denken und meiden Getränke mit Eiweiß wie die Pest. Dabei muss das gar nicht sein. Wir werfen einen kritischen Blick auf die Frage, ob frisches Eiweiß hinter der Theke ersetzt werden kann. Und wenn ja, wie?
Rote Eier werden für viele Menschen wohl immer ein kulinarisches Tabu bleiben. Das weiß auch die Lebensmittelindustrie, die seit Jahren Alternativen für diejenigen anbietet, die über rohe Eier die Nase rümpfen. Trotzdem spielt das Ei, insbesondere das Eiweiß, in der Barkultur seit Jahrhunderten eine Rolle und ist nicht von vornherein abzulehnen.
Der Vorteil des Eiweißes und der Grund, warum es auch in Bars verwendet wird, liegt darin, dass es mehr als 10 % Proteine enthält. Diese Eiweiße verbinden sich, wenn sie mit genügend Kraft aufgeschlagen und der Luft ausgesetzt werden, zu einer stabilen, zweiphasigen Schaummasse. Diese Eigenschaft ist für Back- und Konditoreiwaren unerlässlich und kann auch eine Reihe von Cocktails aufpeppen. Auch Getränke mit Eiklar binden leicht und erzeugen ein elegantes, cremiges Mundgefühl. Vor allem aber vergrößert ihre Schaumkrone die Oberfläche des Getränks und gibt den Aromen mehr Raum.
Neben Eiern gibt es auch andere, nicht fertige Alternativen, die man in einer Vielzahl von Getränken verwenden kann, um ganz ähnliche Effekte zu erzielen. Generell muss man aber sagen, dass man einfach kein besseres Eiweiß als das Original finden wird. Für alle, die noch auf der Suche sind, stellen wir hier fünf! alternative Empfehlungen vor.
1) die fragwürdige chemische Lösung: der Original Frothee
Vor einigen Jahren hat sich der damalige MIXOLOGY-Autor Steffen Hubert mit diesem Produkt befasst, das in vielen Bar-Ketten, vor allem in beliebten US-Tourismuszielen, ein fester Bestandteil ist. Das Original Frothee verspricht einen stabilen Schaum (sogar in einem Gimlet?!), eine seidige Textur, einen eingebauten Fleckenschutz für das Servicepersonal und auch eine Reduzierung der eigentlichen Produktmenge…denn Frothee gibt einem Drink mehr Schaum, d.h. mehr Luft und weniger eigentliches Getränk.
Für Leute, deren Barkonzept in diese Philosophie passt, mag die Verwendung eines sterilen Pulvers, das einem Reinigungsmittel ähnelt und in einem Drink einen Effekt ähnlich dem von frischem Eiweiß erzeugt, genau das Richtige sein. Aber ehrlich gesagt, ist das nicht wirklich schön.
2) Die „sichere“ Art: PASTEURISIERTES Eiklar
Wenn Sie echtes Eiklar verwenden möchten, aber den Umgang mit rohen Eiern hassen, können Sie jederzeit abgepacktes oder in Flaschen abgefülltes pasteurisiertes Eiklar verwenden, ein Produkt, das inzwischen in vielen Großküchen zum Grundbedarf gehört. Die Hersteller preisen die Vorteile seiner energetischen Qualitäten, seiner Reinheit und seiner Lagerungsmöglichkeiten auch ohne Kühlung an, und das alles zu einem erschwinglichen Preis.
Aber es bleibt die Frage, warum man so etwas verwenden sollte, wenn man Bio-Eier direkt vom Bauernhof kaufen kann, die bei richtigem Umgang praktisch keinerlei Risiko darstellen? Ein frisches, unbeschädigtes Ei, das vor der Verarbeitung von außen mit heißem Wasser abgespült wird (ja, Salmonellen können sich auch auf der Schale verstecken), ist absolut sicher, selbst wenn es roh ist. Damit ist das Argument für die pasteurisierte Variante hinfällig.
3) die kOMBINIERTE LÖSUNG? eierweißsirup
Eierweißsirupe sind ein recht neues Segment. Sie sind im Grunde nichts anderes als Zuckersirupe, denen bei der Herstellung pasteurisiertes Eiweiß wie oben zugesetzt wird. Die infrastrukturellen Vorteile liegen auf der Hand: Viel Zucker und die Pasteurisierung des Eiweißes sorgen für eine lange Haltbarkeit, auch bei Raumtemperatur.
Kritiker dieser Produkte stören sich jedoch an der automatischen Kombination von Eiweiß mit Zucker. Wer statt frischer Eier eines dieser Produkte als Standard an der Bar wählt, muss bedenken, dass sie viele klassische Rezepte, etwa mit Likören, komplizierter machen. Zum Beispiel fügen diese Sirupe einem White Lady oder einem Angus & Beuser Special eine beträchtliche Extraportion Zucker hinzu, so dass der Barkeeper viel mehr Zeit aufwenden muss, um dies mit den übrigen Zutaten auszugleichen. Sie mögen für einen einfachen Sour in Ordnung sein, aber für wirklich erstklassige Bars sind sie keine Option.
4) der alte cLASSIc: Gum SYRUP
Der Begriff „Gum Syrup“ oder „Sirop de Gomme“ taucht in alten Barbüchern viel häufiger auf als in den heutigen. Man kann den Ausdruck auch heute noch hören, aber im Allgemeinen ist damit ein einfacher weißer Zuckersirup gemeint. Die ursprüngliche Bedeutung bezieht sich auf einen Sirup, der so genanntes Gummi arabicum enthält, ein Produkt, das aus dem Pflanzensaft verschiedener afrikanischer Akazienarten gewonnen wird.
Gummi arabicum ist ein Gemisch verschiedener komplexer Zucker, d.h. Kohlenhydrate, die in konzentrierter Form in vielen Bereichen der Lebensmittelverarbeitung als Verdickungsmittel verwendet werden.
Ein klassischer Gummisirup besteht jedoch aus einem Teil Gummi arabicum und dem Rest aus normalen, handelsüblichen Zweifachzuckern. Beim Schütteln sorgen einige der Zutaten dafür, dass die geschüttelte Mischung stärker emulgiert und zart gebunden wird, ähnlich wie beim Schlagen von Eiweiß. Es bildet sich auch die begehrte Schaumkrone, die wir von einem Pisco Sour, Silver Gin Fizz oder der klassischen White Lady kennen. Wenn Sie versuchen möchten, Ihren eigenen Gummisirup herzustellen, ist Gummiarabikum online und in guten Drogerien, biologisch orientierten Lebensmittelläden und in einigen Apotheken erschwinglich.
Man könnte hier einwenden, dass die Verwendung von Gummisirup im Grunde genauso begrenzt ist wie der zuvor erwähnte Eiklar-Sirup, und auf den ersten Blick mag das richtig sein. Aber man darf nicht vergessen, dass es sich um ein reines Naturprodukt handelt, zumindest solange das Gummiarabikum aus kontrolliert biologischem Anbau stammt. Und im Gegensatz zum Eiklar enthält der Gummisirup keinerlei tierische Bestandteile.
5) NATÜRLICHE ALTERNATIVEN: FRÜCHTE & HONIG
Wenn Sie „ganz natürlich“ vorgehen wollen, um Ihren Getränken die richtige Komposition mit einer perfekten Schaumkrone zu geben, und Sie offen dafür sind, dass auch andere Aromen ins Spiel kommen, gibt es einige Zutaten, die überhaupt nichts mit Eiern zu tun haben, die den Zweck erfüllen können.
Einige Früchte wie Ananas oder Maracuja enthalten zum Beispiel eine enorme Menge an Eiweiß. Versuchen Sie doch mal, bei Ihrem nächsten Sour ein paar zerdrückte Ananaswürfel in den Shaker zu geben. Abgesehen vom fruchtigen Geschmack werden Sie nach zweimaligem Abseihen über die schöne Schaumkrone staunen, die in ihrer Konsistenz an einen Espuma erinnert. Und auch das Getränk selbst nimmt eine wunderbare Cremigkeit an, die den Mund elegant ausfüllt. Das Gleiche gilt für einen Sour, dem Passionsfruchtfleisch zugesetzt wird. Das Ergebnis ist eine hervorragende Komposition mit einem reichen, vollen Geschmack und einer cremigen Textur.
Eine weitere hervorragende Proteinquelle hinter der Bar ist hochwertiger Honig, zum Beispiel aus Akazienblüten. Ein Air-Mail-Cocktail, der zunächst „trocken“ geschüttelt, dann mit gutem Honig verfeinert, abgeseiht und mit Champagner getoppt wird, ergibt eine Schaumkrone, die so fluffig, stabil und dick ist, dass selbst erfahrene Cocktail-Kenner Sie wahrscheinlich der Verwendung von Eiweiß bezichtigen werden. Mit diesen Kombinationen können sogar Veganer in Urlaubsstimmung kommen! Prost.